Puls

"Spürst du den Puls", frage ich ihn, nach vorne in den Raum gesprochen. Wir stehen an einer der unzähligen S-Bahn-Stationen der Stadt. Um uns herum stehen, reden, bewegen sich bestimmt über einhundert Menschen.

"Spürst du den Puls der Stadt, der Menschen, der Zeit? Wie Wellen im Ozean vibrieren sie um uns herum."
Seine Augen bewegen sich von Punkt zu Punkt, Herzschlag zu Herzschlag. Er sieht wie ich Personen, die anteilnahmslos am Gleis stehen, jene, die sich streiten, bei dem Sicherheitdienst nach Auskunft fragen oder sich verliebt anschauen. "Siehst du auch uns?" Er schaut mich von der Seite aus an.
"Das ist eine gute Frage." Ich schaue in die Ferne des uns begrenzenden Containers, vielleicht in der Hoffnung oder Erwartung dort Antworten in der unbewegten Bewegung zu finden. "Kann ich mich ohne dich sehen?" Mein Gedankenimpuls zerfließt an den uns umgebenden Wänden.

"Ich meine, es könnte ja auch sein, dass die anderen uns beobachten."
Ich nicke. "Beobachten und wahrnehmen. Der natürliche Wechsel von Fokus und Rezeption, das zeitgleiche Auftauchen und Überlagern beider Qualitäten."
"Mit Zeitgleichheit hast du es seit einiger Zeit, oder?"
"Aber so ist es ja", zucke ich mit den Schultern. "Wie wenn du zwei Töne übereinander legst und sie einen neuen Klang erleben."
"Wie in einer Beziehung."
"Oder bei einem Kind", ergänze ich, von Gänsehaut begleitet.
"Fraktale", sagt er.
"Fraktale", sage ich.

Unsere Worte pulsieren durch den Raum, so wie die Stadt, die Menschen, die Zeit um uns herum.

"Mir gefällt die Sinfonie, die wir spielen."
"Mir gefällt die Sinfonie, die wir sind."