Hebel
„Hebel, Hebel ist eines der Schlüsselworte“, sage ich ihm.
„In Bezug auf deine Arbeit?“
Ich nicke. „Weißt du, was es für ein grandioses Gefühl ist, wenn die Leute einen Weg sehen und du wirfst ein, zwei Impulse in den Raum, aus denen sich Linien ergeben und sich den Leuten plötzlich neue Wege auftun? Wenn du die Faszination und Ungläubigkeit in ihren Augen siehst, weil sie das, was gerade in dem Moment entsteht, anscheinend nicht für möglich gehalten haben?“
„Du glänzt gern mit deiner Expertise!“
„Absolut“, entgegne ich ihm mit funkelndem Blick. „Und gerade in Gruppenveranstaltungen ist es für mich ein Genuss, die unterschiedlichen Sichtweisen aufzugreifen, umzuwandeln und anzureichern. Den Raum zu halten, zu formen und zu erweitern.“
„Und zu dirigieren.“
„Und zu dirigieren“, nicke ich, und fühle mich auch auf der Bühne in einem meiner Elemente.
So gut er mich kannte, so sehr wussten wir beide zugleich um die Zweiseitigkeit meiner Rolle: Dass mein Beitrag eben nur ein Beitrag war und das Zünden des Feuerwerks eher in den Leuten lag als in meinen Funkenwürfen. Dass es neben jenen, die angeregt Fragen stellten und im Austausch zustimmend nickten, eben auch diejenigen gab, die ihre Zeit absaßen oder sich ihren Teil dachten.
„Am Ende“, sage ich, „mache ich vermutlich einfach nur das Licht an. Und dort, wo es vorher dunkel war, sagen die Leute dann bestenfalls ‚Oh, ein Hebel‘.“
„Und wenn es richtig gut läuft, machst nicht du, sondern machen die Leute selbst das Licht an.“
„Dafür ist der Hebel“, entgegne ich, und lege den Schalter um.
Buch: Das lebende Buch
Geschichten:
Personen: Er
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